Wie in kaum einem anderen Stadtteil von Graz, sind im Bezirk Jakomini und in den Straßenzügen, die nun durch die roten Laufbahn markiert sind, Erinnerungen ans 18. Jahrhundert zu entdecken. Wer damals in die Jakominivorstadt ging, kam an den ebenerdig gelegenen Läden und Werkstätten von Gewerbetreibenden vorbei. In den ein- oder zwei Geschoßen darüber wohnten die Familien. In den dahinterliegenden Höfen war noch Platz für Werkstätten, Wohnräume für Knechte und die Kleintierhaltung für den Eigenbedarf.
Seinen Namen hat der Bezirk von Kaspar Andreas Ritter von Jacomini-Holzapfel-Waasen. Als am Ende des 18. Jahrhunderts die Festungsmauern geschliffen wurden kaufte er den Großteil der Grundstücke südlich des Eisernen Tores. Später verkaufte er die Baugründe am linken Murufer weiter und allmählich wuchs die „Jakominivorstadt“ Haus um Haus.
An die Wiesen, die vor 200 Jahren zu einem viel älteren Kloster gehörten, erinnert noch der Name Klosterwiesgasse. Der gewundene Bachverlauf ist im Namen und im Verlauf der Grazbachgasse geblieben. Die wichtige ehemalige Ausfahrtsstraße von Graz in Richtung Süden durch die Münzgrabenstraße wurde langsam von der inneren und äußeren Jakoministraße (seit 1935 Conrad von Hötzendorf Straße) abgelöst.
Der Baustil der Vorstadt
Auf ein paar der alten Gebäude ist noch die Fassadengliederung des 18. Jahrhunderts zu erkennen, insbesondere der josephinische Plattenstil. Etwa am Haus Jakominiplatz 16, das Caspar Andreas Edler von Jacomini 1786/87 für sich selbst als Wohnhaus errichten ließ, oder „Zum Eisernen Ritter“ am Anfang der Klosterwiesgasse. Charakteristisch für diese „vorgründerzeitlichen“ Bauten der Vorstadt sind die niedere Geschosshöhe, sparsamer Deckenstuck, alte Holzstiegen und schmale Eingangstüren.
Viele der Gebäude wurden von Baumeister Josef Benedikt Withalm d. Ä. errichtet. Sein Stil zeichnet sich u.a. durch vertikal verbundene Fensterachsen aus und dem „Schabrakendekor“. So nannte man den Fassadenschmuck, der wohl auf den Einfluss von italienischen Stadtansichten zurückzuführen ist. Die dort abgebildeten Menschen lehnten aus den Fenstern und stützten „ihre Arme auf Schabraken, meist mit Quasten verzierte Überwürfe auf den Fensterbänken.“
Die repräsentativen Straßenfassaden waren durch gleichartige Motive zusammengefasst und möglichst gleich hohe Gesimse sorgten für eine perspektivische Gesamtwirkung. Wohl bedacht und sogar gesetzlich geregelt waren aber auch die Blickachsen, die – Herrn Jakomini beispielsweise beim Blick aus seinem Haus auf die Altstadt und Stadtpfarrkirche – ungestörte Sicht einräumten und und höhere Gebäude in diesem Bereich untersagten.
Vom Grazer Stock zum Glasportal
Viele dieser spätbarocken Gebäude wurden leider in den vergangenen Jahrzehnten entstellt und verloren die charakterische Fassadengliederung. Die historischen hölzernen Fensterläden verschwanden und mit ihnen die charakterische Fensterform, der „Grazer Stock“.
Aber noch im 20. Jahrhundert war die Jakoministraße eine bedeutende Geschäftsstraße. Fotos erinnern an angesehene und aufwändig gestaltete Modegeschäfte, Fotografen u.a. Zwischendurch haben sich ein paar Geschäftsfassaden mit avantgardistischen Stahlkonstruktionen und gebogenen Glasflächen erhalten, die in den 1930er Jahren von den angesehensten Architekten der damaligen Zeit entworfen wurden.
Anfang des 21. Jahrhunderts leben rund 30.000 Menschen im 6. Grazer Gemeindebezirk. Während am Stadtrand Einkaufszentren wachsen, verliert die ehemals beliebte Flaniermeile in der Jakoministraße und der benachbarten Klosterwiesgasse ihre Anziehungskraft. Von „leerstehenden Geschäfte, schwer verwertbaren Substanzen und unglücklichen Geschäftsinhabern“ berichten nicht nur Studierende, die im Jahr 2006 „Nutzungsvisionen“ erarbeiten. Dass sich die Straßenbahnlinien Linie 4 und 5 in kurzen Intervallen durch die schmale Jakoministraße drängeln, macht die Suche nach Lösungen nicht einfacher. Kundinnen und Kunden bleiben aus, obwohl die Videowall am Verkehrsknotenpunkt Jakominiplatz mit täglich 80.000 Kontaktchancen wirbt.
Fotos: Thümmel, Hermst, colourspace
Quelle:: Erika Thümmel, Robert Engele „Damals in Graz“