Für einen Platz im Gastgarten von Kaffeehäusern und Restaurants muss man zahlen. Das Angebot an kostenlosen Sitzmöglichkeiten in der Stadt ist begrenzt. Bis jetzt: Denn die Kollektive BRAUCHST und Studio Magic haben schlanke Bänke entworfen und gebaut. Beim Fest im Jakominiviertel verschenkten sie die ersten 100 Exemplare.
Das platzsparende Möbel ist lang genug für zwei Personen und leicht genug, um es mit einer Hand zu tragen. Aus knallgelben Doka-Platten hergestellt, ist die Bank ziemlich robust und ein echter Blickfang. Und das Schönste? Wer beim Bankerl-Fest im Jakominiviertel besonders schnell war, erhielt eines der ersten hundert Stadtmöbel geschenkt.
Oliver ist einer von ihnen, ihm gehört die Bank mit der Nummer 55. „Die kommt jetzt mal auf die Dachträger vom Auto, damit ich sie immer mit dabei hab’, egal wohin ich fahre!“, verriet er uns. Ein Reisebankerl also. Auch die anderen Gäste in dem paradiesischen Hinterhof warten geduldig auf die Schenkungsurkunde, die kleine Plakette mit der Nummer und schließlich auf die Bank.
Idee und Design finden offensichtlich Gefallen, nach und nach wird der Turm aus 100 gelben Bänken kleiner und die stolzen BesitzerInnen schwirren mit ihren Stadtmöbeln in alle Teile der Stadt. Bankerl Nr. 1 soll bald in einem Kräutergarten in Gries stehen, Nr. 18 kommt nach Eggenberg, neben die Sandkiste, und Nr. 6 wird unter den Arm geklemmt und in den Park mitgenommen.
Unterstützt werden die Kollektive bei der Bankerl-Aktion vom EU-Projekt „Human Cities – Challenging the City Scale 2014 – 2018““, an dem Institutionen in zwölf europäischen Städten teilnehmen. Die FH JOANNEUM Graz ist eine davon. In Experimentation Labs und Projekten wie der Bankerl-Aktion werden unkonventionelle Wege ausprobiert, um das Stadtleben neu zu erfinden. „Es geht vor allem um die Bewohnerinnen und Bewohner! Was wünschen sie sich vom öffentlichen Raum, der sie umgibt? Und wie können diese Wünsche umgesetzt werden?“, fasst die Grazer Projektleiterin Anke Strittmatter den Kern des Projekts zusammen. „Wir tauschen uns in regelmäßigen Technical Meetings über unsere Projekte aus und Erfahrungen in den unterschiedlichen Städten aus. Ich bin bald am Weg nach Belgrad, danach kommt Frankreich dran.“ Von dort, nämlich aus Saint Étienne kam übrigens auch der Impuls für das gemeinsame Projekt. Über das City of Design-Netzwerk wurde Graz zur Mitarbeit eingeladen.
Für ein weiteres Teilprojekt im Rahmen der „Human Cities“ haben Ende des Jahres 2016 zwei Studierende der FH JOANNEUM, Bernadette Litschauer und Thomas Solfelner, die Grazbachgasse genau untersucht. „Es ging darum, zu analysieren, wie viel Fläche für Autoverkehr, für RadfahrerInnen und FußgängerInnen zur Verfügung steht. Wir haben wirklich mit einem Maßband abgemessen, wie tief der Gehsteig an den unterschiedlichen Stellen ist.“ Die Untersuchung der angehenden ArchitektInnen zeigt, dass der Großteil der Fläche den Autos gehört. „Daher versuchten wir , das Verkehrssystem in der Grazbachgasse zu überdenken.“, erklärt Bernadette. „Ziel war es, für die Fußgänger mehr Raum zu generieren. Dafür haben wir zum Beispiel einige Abbiegespuren gecancelt.“, lacht sie, „Hier könnten die Leute ihr tägliches Leben in den öffentlichen Raum tragen!“
Erika Thümmel, Obfrau des Vereines Jakominiviertel, ist ebenso maßgeblich am Human Cities Projekt beteiligt. Für die Bankerl-Aktion öffnete sie wieder einmal die Türen zu ihrem wunderbaren Garten im Hinterhof der Jakoministraße 9. „Wir wollten ursprünglich ein Viertelfest in der Jakoministraße feiern“, erzählt Erika Thümmel. „Zu bestimmten Zeiten dürfen auf einer Straßenseite Autos parken, die Straßenbahn wird dann eingleisig geführt. Wir haben geplant, diese Fläche auch für unser Fest zu nutzen.“ Deshalb stellte die Obfrau des Vereines Jakominiviertel einen Antrag an das Straßenbauamt. Das Fest sollte an einem Samstagnachmittag stattfinden, eine Zeit, zu der die Bim sowieso seltener durch die Jakoministraße fährt.
Über die Antwort war der Verein dann nicht erfreut: In einigem Abstand zu den Schienen müsse entlang der Festzone ein 2 Meter hoher Bauzaun aufgestellt werden, außerdem dürfe der Gehweg nicht benutzt werden. In der engen Gasse bliebe also nur ein schmaler, aber sehr langer Streifen Straße übrig, der bespielt werden könnte. Abgesehen von der fraglichen Ästhetik eines Bauzaunes kann sich der Verein diese Kosten für ein verhältnismäßig kleines Vorhaben nicht leisten. Nach einer Sitzung mit Feuerwehr, Polizei und Bezirksvorstand sagte der Verein das Straßenfest daraufhin ab.
Der Ansturm auf die gelben Bänke hat die unerfreuliche Vorgeschichte des Festes aber schnell vergessen lassen. Eine halbe Stunde nach Beginn der Veranstaltung waren die ersten 50 Möbel mit Nummer und Schenkungsurkunde vergeben.
Die Idee von BRAUCHST, Studio Magic und dem Verein Jakominiviertel ist definitiv gut angekommen. Auch bei DOKA, einem österreichischen Hersteller von Schalungsplatten, fiel die Idee auf fruchtbaren Boden. Das Unternehmen steuerte das Material für das ungewöhnliche Projekt bei. Harald Zulehner, Leiter der DOKA-Niederlassung in Amstetten, war extra angereist und zeigte sich vom Entwurf der Grazer Möbelbauer sehr angetan.
Und selbst die, die zu spät gekommen waren, diskutierten leidenschaftlich über die Zukunft des Viertels und fühlten sich in der paradiesischen Hinterhofatmosphäre sichtlich wohl – bei Live-Musik, Craft Beer von Vintage und den unwiderstehlich guten Kuchen von Culture Exchange Graz.
Wer gerne dabei gewesen wäre, kann die Impressionen in unserem Rückblick-Video genießen. Und für alle, die jetzt auch ein Bankerl haben wollen: Das Ziel heißt 280.000 Bankerl für Graz. Die nächsten Bänke werden voraussichtlich 2018 vergeben.
Fotos: Jakominiviertel/DJakob