Sie sind eine Grazer Spezialität: Mit mehr als 800 kleinen Vorgärten liegt die Stadt europaweit an der Spitze. Dennoch gibt es keinen Grund zur Freude. Denn, wo es früher grünte und blühte, parken heute oft Autos auf grauem Asphalt. Auf Einladung von Café Jakomini waren wir bei einem Lokalaugenschein in der Klosterwiesgasse.

Tabuzone
Laut Altstadterhaltungsgesetz ist nicht nur das Verbauen, sondern schon das Abstellen eines Autos im Vorgarten strafbar. Als die Stadt vor einiger Zeit ihr Recht einforderte und Strafzetteln auf den widerrechtlich geparkten Autos verteilen ließ, war der Wirbel groß. Geändert hat sich wenig. Später versuchte man es auf die freundliche Art und bot den HausbesitzerInnen eine Förderung von 100 Euro pro Quadratmeter, wenn sie ihre versiegelten Vorgarten renaturieren, sprich wieder begrünen. Das Echo: gleich null. „Mit einem Friedenszins von nicht einmal 200 Euro für über 100 Quadratmeter geht sich das nicht aus“, schimpft eine Hausbesitzerin, die sich nach dem Grund unseres Besuchs erkundigt. „Ein Witz.“ Ob sie eine Genehmigung für ihren Parkplatz im Vorgarten hat? Die Frage verhallt, die Dame verschwindet wortlos im Gründerzeitbau.

Juwel aus der Gründerzeit
„In Wirklichkeit ist es reiner Egoismus“, meint Prügger, „In den anderen Teilen der Stadt müssen die Leute schließlich auch für ihren Parkplatz Gebühren zahlen.“ Dennoch gibt sie nicht auf. „Erst wenn die Menschen den Wert erkennen, schätzen und schützen sie eine Sache,“ ist die Vorgarten-Expertin überzeugt. Sie setzt auf Öffentlichkeitsarbeit, lädt zu Rundgängen und erzählt vor Ort vom Wert der kleinen Stadtgärten aus der Gründerzeit: von den grünen Wiesen, den einfachen Häusern und den vereinzelten Schlösschen, die auf einer Stadtansicht aus 1635 zu sehen sind. Weil in der Folge immer mehr Menschen in die Stadt zogen, wurden die Bastionen entfernt, das Glacis aufgehoben. Nach dem Vorbild der Metropole Wien entstanden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine Ringstraße mit Prachtbauten und Privathäuser in Geidorf, St. Leonhard und in der Jakominivorstadt, die den gesellschaftlichen Aufstieg von vermögenden Bürgern der Stadt spiegelten. Ein Bauboom, der das Aussehen der Stadt nachhaltig veränderte – mit aufwändig gestalteten Fassaden und liebevoll inszenierten Entrées.
Neben dem historischen Wert haben die Grünzonen auch enorme ökologische Bedeutung. „Jedes Grün zählt,“ sagt die pensionierte Geschäftsführerin des Naturschutzbundes. „Wir brauchen diese Biotope für die Pflanzen- und Tiervielfalt in der Stadt.“ Die unversiegelten Flächen seien aber auch deshalb wertvoll, weil sie Regenwasser aufnehmen, die Kanalisation entlasten und an heißen Tagen schattenspendend und kühlend wirken.
Weiter Infos über die Grazer Vorgärten und die Förderaktion der Stadt.

Fotos © Nina Popp