Ihr Büro liegt im Jakominiviertel. Genauer: Es war da. Denn in wenigen Wochen zieht die Ausstellungsdesignerin Nicole Troesch zurück nach Deutschland. Im Gespräch mit jakominiviertel.at blickt sie zurück – auf ihre Zeit an der FH und auf spannende, kreative Projekte in der Stadt und am Land.
Als Nicole Troesch vor zehn Jahren in die Steiermark kam, galt kreativ noch als Synonym für verhaltensoriginell. Dass Kreative zunehmend zur Wertschöpfung beitragen und dass die Kreativwirtschaft als Innovationstreiberin der Gesamtwirtschaft fungieren würde, war weitgehend unbekannt.
Die Creative Industries Styria (CIS) waren noch nicht gegründet und es sollte noch dauern, bis die Stadt Graz ihre Bewerbung um die Aufnahme in das UNESCO City of Design-Netzwerk abschicken würde. Ganz zu schweigen vom Jakominiviertel. Wer hätte sich damals träumen lassen, dass sich das Viertel mit einer roten Laufbahn vor Ort Ärger und weltweit Anerkennung einhandeln würde.
Im Wintersemester 2006 bot die FH Joanneum jedenfalls erstmals den Masterlehrgang für Ausstellungs- und Museumsdesign an. Und genau deshalb zog die gebürtige Pfälzerin mit Sack und Pack in die Steiermark. „Nach dem Architekturstudium in Darmstadt wollte ich eigentlich in Museen arbeiten. Aber die Zeit war offensichtlich nicht reif dafür und so entschloss ich mich für eine Zusatzausbildung.“ Das Angebot der FH Joanneum kam da gerade richtig.
..und wir Deitschen
Sie bewarb sich, wurde aufgenommen und allmählich vertraut mit einer Stadt, die sie bislang ausschließlich von Architekturprojekten und –zeitungen kannte. „Graz, das war das Kunsthaus.“ Doch schon bei ihrer ersten Straßenbahnfahrt wurde ihr klar, dass sich die Stadt nicht auf die angesagte Gegend rund um den Südtirolerplatz und die Altstadt reduzieren lässt. „Ein Kollege aus unserer Gruppe an der FH arbeitete früher als Fremdenführer“, erinnert sich Nicole Troesch an die ersten Monate. Er nahm die Neuen mit auf seine Touren und so erfuhren sie gleich zu Beginn vermutlich mehr über die Stadt, als so manch echte GrazerInnen nach Jahren wissen.
Auch sonst fühlte sie sich an der FH richtig. „Als Tutorin war ich gleichsam Klassensprecherin einer bunten Mischung aus allen möglichen Fachrichtungen. Leute aus Österreich, Slowenien – und wir Deitschen“, erzählt sie schmunzelnd. Aus der Vielfalt nahm sie wertvolle Ideen und Erfahrungen mit. Zusätzliche Impulse kamen von den Lehrenden des Masterstudiums. Zum Beispiel die Idee zu einer Ausstellung über die Zukunft des Radios: Im Rahmen des Festivals „Radiovisionen“ des Tesla Medien Kunst Labors in Berlin nahmen Nicole Troesch und ein Team aus engagierten KollegInnen die AusstellungsbesucherInnen auf eine Zeitreise ins Jahr 2150 mit.
2009 war der „Master of Arts and Design“ amtlich. Im selben Jahr übernahm Nicole Troesch als Mitarbeiterin der Creative Industries Styria gemeinsam mit zwei KollegInnen das Projektmanagement der „Erlebniswelt Wirtschaft“: Steirische Unternehmen und Kreative sollten gemeinsam ansprechende Touren durch die Unternehmen gestalten, um ganz allgemein das Bewusstsein für die Leistungen der heimischen Wirtschaft zu stärken und speziell junge Leute auf die unterschiedlichsten Sparten und Ausbildungsmöglichkeiten aufmerksam zu machen. „Hautnah erleben“ lautet die Devise des erfolgreichen Projekts.
Das Gütesiegel „Made in Styria“ erhielten mittlerweile mehr als 50 Unternehmen – vom Traditionsbetrieb bis hin zu großen Unternehmen, die auf dem Weltmarkt ganz vorne mitmischen. Viele von ihnen hat Nicole Troesch begleitet und beraten, wenn es darum ging, gemeinsam mit ExpertInnen aus den unterschiedlichsten Branchen der Kreativwirtschaft, einen spannenden Rundgang durch ihr Unternehmen zu planen und umzusetzen.
Mit jeder neuen Aufgabe findest du mehr über dich selbst heraus
„Während meiner Arbeit für die Erlebniswelt Wirtschaft habe ich erkannt, dass mir die Kommunikation mit den Unternehmen liegt. Ich muss nicht unbedingt selbst Ausstellungen machen, es ist auch spannend, das Wissen zu nutzen und weiterzugeben. Genau das hat meiner Meinung nach gut bei der Erlebniswelt Wirtschaft funktioniert. Ich konnte viele Fähigkeiten und Erfahrungen, die ich im Laufe der Jahre gesammelt hatte, einbringen.“
2011 lief ihr Vertrag mit der CIS aus und Nicole Troesch gründete ihr eigenes Büro: Werkstolz. Hier in Österreich ist das Wort nicht geläufig, Troesch aber fühlt sich mit dem Begriff seit langem verbunden: „Es war in meiner Schulzeit, als es um die Arbeit am Fließband ging. Da kam der Einwand, dass die Arbeiter das Projekt nicht vom Anfang bis zum Ende mitverfolgen und nur für einen Teilbereich verantwortlich sind. Der Werkstolz fehlt.“ Nach vielen eigenen Projekten, beschreibt das Wort für sie noch immer das Ergebnis gelungener Zusammenarbeit. „Werkstolz trocknet dir den Schweiß nach einem Marathonlauf.“
So ein Marathon war beispielsweise die Neukonzeption einer 500 Jahre alten Mühle im Osten der Steiermark. „Ulla Klopf von der Agentur für Augenhaptik und ich wollten die besondere Atmosphäre erhalten. So entschlossen wir uns, Vorhandenes neu in Szene zu setzen und alten Dingen neue Funktion zu geben“, beschreibt Troesch den ressourcenschonenden Zugang, der bei den BesucherInnen des Traditionsbetriebs gut ankommt: „Die Gestaltung wirkt so unterschwellig, dass sie nicht als Fremdkörper oder Eingriff empfunden wird“, hieß es da lobend über das Konzept. Auch die Eigentümer der Mühle und die beteiligten Handwerker ließen sich von Troesch motivieren, nahmen Ideen auf und entwickelten sie selbständig weiter.
Toleranz, Talente, Technologie
In den letzten Jahren verbrachte die Wahlgrazerin ohnehin mehr Zeit in der Oststeiermark als in ihrem Büro im Jakominiviertel und in unserem Verein, wo sie als kreative Mitstreiterin bei der Stadtteilentwicklung mitmachte. Tagsüber war sie meist in der Nähe von Hartberg, in Schulen, Institutionen oder Unternehmen unterwegs. Seit 2013 war Nicole Troesch nämlich für die Koordination eines ETZ-Förderprojekts (Europäische Territoriale Zusammenarbeit) verantwortlich. Ziel des Projekts war es, das Potenzial der Kreativwirtschaft in ländlichen Regionen bewusst zu machen, ProjektpartnerInnen aus der Steiermark, dem Burgenland, aus Wien und Ungarn zu vernetzen und Synergien zu nutzen.
Toleranz, Talente, Technologie – das Mantra der Kreativen galt es auch am Land unter die Leute zu bringen. Für die Mitarbeiterin der Leader-Region Zeitkultur Oststeirisches Kernland bedeutete dies: Aufbau eines Netzwerks, Organisation von Creative Crafts-Tagen, Workshops, Trainings, Kooperationen mit Bildungsinstitutionen und Teilnahme an Messen und Veranstaltungen.
Ein ganz besonderes Anliegen waren ihr dabei die Kreativen Lehrlingswelten, die Jugendliche für Handwerksberufe gewinnen. Nicole Troesch holte dafür Fachleute aus den unterschiedlichsten Branchen ins Boot, kontaktierte Schulen, übernahm die PR, fuhr Tausende Kilometer von Schule zu Schule und kümmerte sich – kurz – um alles.
Mit Erfolg. Denn die 12 Mini-Werkstätten, die mit den wichtigsten Werkzeugen und Materialien ausgestattet sind, und die Fachleute touren mittlerweile durch das gesamte Bundesland von Schule zu Schule. Die SchülerInnen erfahren zuerst Basics zu den einzelnen Berufen, dann können sie selbst probieren und schließlich präsentieren sie ihre selbstgefertigten Werkstücke.
Am richtigen Platz, zur richtigen Zeit
In wenigen Wochen wird Nicole Troesch wieder einmal neu anfangen. Diesmal in der Nähe von Bochum. Der Liebe wegen. „Mein Leuchtturm“, sagt sie über ihren Freund, der sie um mehr als eine Kopflänge überragt. Kennengelernt haben sich die beiden vor ein paar Jahren in Graz, nun werden sie die Arbeit in kreativen Welten und ihren Humor ein Stück weiter nördlich ausleben.
„Reden kann ich ja!“, meint Nicole Troesch selbstironisch. Sie ist zuversichtlich, auf den Erfahrungen, die sie in innovativen Projekten in Stadt und Land sammelte, aufbauen zu können. „Ich habe den Eindruck, immer an den richtigen Platz zu kommen. Und zu einem Zeitpunkt, an dem ich beitragen kann, dass sich etwas Großes entwickelt. Das war bei der Erlebniswelt Wirtschaft so, als wir die ersten Schritte prägen konnten, und zuletzt bei den Kreativen Lehrlingswelten. Das Projekt stand noch am Anfang und so hatte ich Raum zu gestalten.“ Und diesen Freiraum hat Troesch erfolgreich genutzt, indem sie regionale Unternehmen und Institutionen in das Projekt einband. Das innovative Projekt der Miniwerkstätten, bei denen Jugendliche selbst Werkstücke herstellen und zugleich erste Kontakt zu künftigen Praktika- und/oder Ausbildungsstellen knüpfen, erhielt von den Jugendlichen selbst, den Schulen und den Unternehmen unisono positives Feedback und wird mittlerweile auf alle Regionen der Steiermark ausgeweitet.
Wir vom Jakominiviertel vermissen deinen Humor und die Gespräche mit dir schon jetzt!
Alles Gute!!