Jede Stadt hat ein Viertel wie Jakomini. Das kann man so hinnehmen. Oder etwas dagegen unternehmen. Die Stadt hat sich für Zweiteres entschieden. Und hat es so gemeinsam mit den Creative Industries und viel unternehmerischen Geist schon einmal in internationale Medien geschafft. Projektkoordinatorin Pia Paierl über den Wirtschaftsfaktor der Creative Industries im Jakominiviertel.
Jakomini. Das war jahrelang ein sichtbares Zeichen für den innerstädtischen Wandel von Mittelstädten. Besonders spürbar in den Straßenzügen der Jakomi- nistraße und der Klosterwiesgasse. Beide liegen nicht zentral genug, um als attraktive Einkaufsmeile durchzugehen. Und beide sind doch zu frequentiert, um sich als urbane Wohngegend zu etablieren. Die städtische Bestattung findet man dort. Und ein paar legendäre Wirten. Man fährt bestenfalls öffentlich vorbei. Aber gerade dieses „städtische Dazwischen“ macht ein Viertel wie Jakomini wieder interessant. Verkehrstechnisch enorm geschickt gelegen. Von den Mietpreisen (noch) fair und leistbar. Und zusätzlich noch genügend alte Struktur, um eine Planung aus der Retorte zu verhindern. Was also tun? Investoren locken? Doch wofür genau?
2009 war der Stadt Graz klar, dass man in Jakomini von außen steuernd eingreifen muss. Internationale Beispiele zeigten, dass ein möglicher Weg ein alternativer Entwicklungsprozess sein könnte. So wurde Anfang 2009 in Zusammenarbeit mit dem Citymanagement, Creative In- dustries Styria (CIS) und der Abteilung für Wirtschafts- und Tourismusentwicklung ein Konzept entwickelt um Jakomini langfristig wieder zurück nach oben zu entwicklen. Mit eingebunden: rund 50 bestehende Geschäftslokale und rund 90 natür- liche oder juristische Personen als Eigen- tümer der in diesem Bereich befindlichen Liegenschaften.
Das Ergebnis: das „Pilotprojekt Jakominiviertel“. Es verfolgt das Ziel, durch die Kre- ativwirtschaft eine frische, mutige Neu-Positionierung dieses kleinräumigen Gebiets zu erreichen.
Das Ziel: Ein Viertel zu bewegen und zu beleben
Das Entwicklungs-Ziel ist es, durch die themenzentrierte Entwicklung des Viertels (die Kreativwirtschaft) in der ersten Ent- wicklungs-Phase Impulse für eine Eigen-Belebung und unternehmerische Ansiedelung zu initiieren und Jakomini damit schrittweise in eine dynamische Zukunft zu führen. Ein kluger Kopf hat einmal gesagt, dass nur große, gute Ideen die Seele bewegen. Und auch in Jakomini geht es darum, die Seele dieses Viertels wieder zu bewegen. Und dazu sind gute Ideen gefragt.
Und das geht nur mit geeinter Kraft. Die Problematik dabei, die wie ein Damo- klesschwert über dem Viertel hing: Abwanderung der Betriebe, Verlust an Lebensqualität, sinkende Attraktivität.
Die Belebung dieser Straßenzüge benötigt(e) also ein frisches aber detailliertes Konzept. Dieses Konzept steht auf drei von einander abhängigen, vernetzten Säulen:
I. Koordination, direkt greifbar vor Ort.
Die Koordination ist Schnittstelle zwi- schen EigentümerInnen, UnternehmerIn- nen, der öffentlichen Verwaltung und der installierten Steuerungsgruppe. Sie hat die Aufgabe, die Entwicklung des Projekts aktiv voran zu treiben, Veranstaltungen zu organisieren und die Wirkungen der Maß- nahmen zu dokumentieren und zu überprüfen. Eine Steuerungsgruppe bestehend aus den wichtigsten Akteuren unterstützt sie dabei.
II. Produktion und Präsentation, beides direkt im Viertel.
Das Viertel wird zu einem Ort der Produktion und Präsentation von „kreativen (Handwerks)betrieben“ umfunktioniert. Dabei geht es in erster Linie um eine gut aufeinander abgestimmte Gesamtkonzeption. Einerseits um Betriebe, Shops, Stu- dios, etc., die sich als produzierende Un- ternehmen ansiedeln. Andererseits um größere Flächen die als Showrooms genutzt werden können. Für das Gelingen des Konzepts ist also ein Mix aus mög- lichst vielen Geschäftsflächen für die Kreativwirtschaft (Produktion) und von Showrooms (Präsentation) eine wesentliche Voraussetzung. Als Ansiedlungsanreiz dient in diesem Zusammenhang ein speziell entwickeltes Mietfördermodell.
III. Und: Mittendrinnen eine visuelle Klammer mit Strahlkraft.
Eine „visuelle Klammer“ macht die beiden Straßenzüge zur gut erkennbaren Design- zone. An den Straßenenden im Norden und Süden wird der Beginn dieser Zone bereits eindeutig sichtbar. Und diese Klammer ist so erfolgreich, dass es Jako geschafft hat.
Im Rahmen einer Begleitaktion wird ein verstärkter Austausch mit den relevanten Eigentümern in diesem Gebiet gestartet, um die städteplanerischen und raumord- nungspolitischen Rahmenbedingungen und Möglichkeiten zu diskutieren.
Endlich – Eine erste Bewegung kommt ins Viertel
Die Umsetzung der ersten Maßnahmen hat Anfang 2010 begonnen. Rückblickend kann man rund 12 Monate später folgende erste Erfolge anführen:
J 25 neue Ansiedelungen
J 4 Investitionsprojekte geplant
und in Vorbereitung
J 2 Interventionen im öffentlichen
Raum: „Ready Steady Go“,
Weihnachtsbeleuchtung
J Veranstaltungen: Designmonat 2010
und 2011, „Aufwärmrunde“
J 4 große Koordinationsrunden
J 36 Steuerungsgruppen
J 81 Presseartikel
J 13 abgewickelte Mietförderungen.
Ein mutiger Ausblick
Diese ersten Erfolge sind in Jakomini kurz- bzw. mittelfristig wirksam. Um längerfris- tig nachhaltige Effekte in und für Jakomini zu erzielen, bedarf es aber Investitionen von den Besitzern der Liegenschaften selbst und zusätzlicher Maßnahmen der öffentlichen Verwaltung entsprechend ihrer Verantwortung für den öffentlichen Raum. Wir sind überzeugt, gerade auch die Ernennung von Graz zur UNESCO City of Design wird dafür ein nicht zu unterschätzender Motor sein.
Mag.a Pia Paierl, Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Karl- Franzens-Universität in Graz. Zuletzt Centerleiterin in einem Grazer Einkaufszentrum.
Ab 2010 als Selbständige – Koordination des Pilotprojekts Jakominiviertel übernommen mit der Aufgabe an der Schnittstelle zwischen EigentümerInnen, UnternehmerInnen und der öffentlichen Verwaltung die Entwicklung des Projekts aktiv voran zu treiben, den Informationsfluss zu organisieren und die Wirkungen der Maßnahmen zu dokumentieren und zu überprüfen.
Der Artikel ist im ISG, Internationales Städteforum auch in der englischen Übersetzung erschienen.
Fotos: Jasmin Schuller, Nina Popp, Jakominiviertel